Haarscharf an der Spaltung vorbei
Feuerwehrzentralen Ludwigslust-Parchim: Haarscharf an der Spaltung vorbei
Landrat zieht umstrittene Beschlussvorlage zur Zukunft der Feuerwehrzentralen zurück. Empörte Brandschützer reden Klartext.
Sage niemand, Kommunalpolitik sei eine langweilige Veranstaltung. Am Donnerstagabend brannte die Luft im Kreistag. Die Zukunft der zwei Feuerwehrzentralen im Landkreis – und eine ungeschickte Sitzungsregie – heizten die Stimmung so auf wie noch nie.
Am Ende zog ein sichtlich erregter Landrat Rolf Christiansen (SPD) mit bebender Stimme die Notbremse: „Ich ziehe die Vorlage zurück. Dann können wir sehen, wann wieder was kommt. Für heute ist Ende.“ Damit haben die 233 Feuerwehren im Kreis mehr Zeit, die zehn Varianten für Ausbildungs-, Technik- und Prüfzentralen zu diskutieren. Kreiswehrführer Uwe Pulss: „Es geht ruhig weiter. Ich glaube, wir finden eine Variante.“
Warum stecken so viele Emotionen im Thema? Es geht längst nicht mehr um die Rivalität zwischen Altkreis-Nostalgikern. Die Wehren, die mit der vom Verbandsausschuss favorisierten Variante nicht leben können, fühlen sich überrumpelt und fordern eine Vollversammlung, auf der alle Wehren alle Varianten diskutieren können. Hinter dem von manchen Kreistagsmitgliedern geäußerten Verdacht, hier ginge es um Befindlichkeiten, stecken also handfeste Erfahrungen und Sorgen der Praktiker.
Die mehr als 50 Feuerwehrleute aus dem Altkreis Parchim befürchteten – so steht es in der Beschlussvorlage – das Aus für technische Prüfungen der Einsatzfahrzeuge und Geräte in Dargelütz bei Parchim. Damit bliebe nur noch Hagenow plus Tauschräume für Sauerstoffflaschen und Schläuche. Bei der Fusion des Kreisfeuerwehrverbands war noch von beiden Standorten die Rede.
Die Kameraden mussten eine Menge Geduld mitbringen, denn erst zwei Stunden nach dem Start der Sitzung widmete sich der Kreistag dem brisanten Thema. Landrat Rolf Christiansen brachte die Absicht ins Spiel: „Es geht darum, wie wir die Bedingungen für die Feuerwehren insgesamt verbessern.“ Dafür habe er die Kreiswehrführung um fachliche Beratung gebeten. Das System von Tauschstationen verringere Fahrwege. Einige Wehren favorisieren aber eine Bereitschaft in der Feuerwehrtechnischen Zentrale, die die Geräte zum Einsatzort bringt. So müssen die mit dem Löschen beschäftigten Kameraden sie nicht holen. Dies erklärten sie Christiansen während einer Auszeit, der beharrte dennoch auf einer Entscheidung. Die kam auch – und brachte die Gäste auf die Palme. Kreistagspräsident Olaf Steinberg (CDU) rief nämlich mitten in der beginnenden Debatte eine 45-minütige Pause aus, die Buletten wären wohl sonst angebrannt. Tumultartige Szenen waren die Quittung. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, rief der Spornitzer Gemeindewehrführer Ronny Mathes-Languth, „aber wenn es bei euch brennt, sollen wir kommen!“ Eine Kameradin unterstützte: „Wir stehen nachts um zwei Uhr auf! Wir sind die ganze Zeit da!“
„Ich bin auch Ehramtlerin“, sagte Margret Seemann (SPD) und verteidigte die Pause. Der Parchimer Nico Skiba (CDU) durfte dann gesättigt ans Mikro. Er verwies auf die Satzung des Feuerwehrverbands, die solch ein Vorgehen nicht vorsehe und von zwei Zentralen ausgehe. Skiba: „Der Verband sollte so demokratisch wie möglich entscheiden. Dann habe ich als Kreistagsmitglied eine Grundlage. Gibt es heute eine Abstimmung, spaltet das den Verband.“ Einige Wehren hatten dies angedroht. Auch Norbert Reier (Die Linke) aus Plau sah die Konzentration im Widerspruch zur Satzung. In Dargelütz schaffen die Plauer an einem Tag die Prüfung für zwei Feuerwehrautos, in Hagenow wäre es nur eines pro Tag. Reier: „Wir sollten nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheiden.“ Er ging Landrat Christiansen hart an: „Die Vernachlässigung der Investitionen in Dargelütz auch noch als Nachteil anzuführen, ist ein beschämendes Zeugnis für schlechte Verwaltungsarbeit.“ Nach diesen Worten fiel die Klappe und die Feuerwehrgäste verließen spontan den Saal. Kreiswehrführer Uwe Pulss, der den Verband in ruhigere Fahrwasser geführt hat und allgemein geschätzt wird, muss jetzt den natürlich noch schwelenden Konflikt löschen.
Kommentar "Warum bloß diese Hektik?" von Udo Mitzlaff |
Landrat Rolf Christiansen will den Kreisfeuerwehrverband nicht beschädigen, deshalb stoppte er die Debatte über dessen zentrale Anlaufstellen. Dabei hat er die Suppe angerührt. Ja, der klamme Altkreis Parchim hat kaum in den Stützpunkt Dargelütz investiert. Aber seit 2011 ist auch nicht viel passiert. Im Gegenteil. Ein Mitarbeiter arbeitet jetzt in Hagenow. Dass nun der Investitionsstau als Grund für das Aus des Technikprüfpunkts herhalten soll, erzürnt die Feuerwehren. Sie müssen in ihrer Freizeit jetzt mit den teils museumsreifen Löschautos nach Hagenow zuckeln. Schlimmer ist, dass die Unkenrufer der Fusionszeit jetzt ihre Bestätigung bekommen. Sie haben damals gesagt: Wartet mal ab, wenn wir zusammengelegt werden, machen sie Dargelütz dicht. Verheerend auch, dass einige auf die Größe des Verbands verweisen und sagen: So viele Feuerwehren zur Diskussion zu rufen, sei doch zu aufwändig. Es sind genau die, die den Großverband erzwungen haben. Dann sollen sie auch sagen, dass für die Feuerwehren keine Demokratie gelten soll. Also: Vollversammlung, aber bald. Dann stimmt die Entscheidungsgrundlage. |
Stimmen:
- „Ich möchte dem Kreiswehrführer Mut machen, so demokratisch wie möglich zu entscheiden. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken. Die Diskussion hat das Zeug, den Verband zu spalten. Ich möchte, dass die Feuerwehren bestmöglich arbeiten können. Ich habe auch ein Haus und Frau und Kinder.“
Nico Skiba, CDU, Parchim
- „Alle Bereiche hatten drei Wochen vor der Versammlung Zeit, sich abzustimmen. Im Vordergrund muss stehen, dass der Verband zusammenwächst.“
Uwe Pulss, Kreiswehrführer
- „Es ist gut und richtig, dass die Feuerwehr nun mehr Zeit hat, sich intensiv mit dem Thema zu befassen und alle Wehren einzubeziehen.“
Gerd Holger Golisz, CDU, Lübz
- „Sie müssten mal die Stimmen aus Wittenburg hören. Nicht nur Parchim fühlt sich benachteiligt.“
Margret Seemann, SPD, Wittenburg
- „Der Kreistag hat seit sechs Jahren eine Mitverantwortung für den Investitionsstau in Dargelütz.“
Norbert Reier, Die Linke, Plau
- „Für heute ist hier Ende.“
Landrat Rolf Christiansen, SPD
Quelle: svz.de